Aufgrund regulatorischer Anforderungen werden sich zukünftig alle Unternehmen damit beschäftigen müssen. Die wenigsten haben derzeit allerdings eine eigene ESG-Strategie entwickelt. Laut der EY Real Estate Asset-Management-Studie haben nur 15 Prozent der befragten Unternehmen aus der Immobilienbranche die Nachhaltigkeitsstrategie als festen Bestandteil ihrer Prozesse integriert.
Wer sich bereits heute strategisch zu Umwelt, Sozialem und Governance positioniert, profitiert langfristig. Zur Entwicklung einer effektiven ESG-Strategie müssen vorab relevante Fragen geklärt werden. Welche das sind und welche Hinweise zur Herangehensweise es zu beachten gilt, klären wir im Interview mit Thomas Veith. Er ist Leader Real Estate / Real Assets Germany bei PwC und Autor von “ESG in der Immobilienwirtschaft”. Das Team um Thomas Veith beschäftigt sich mit der Industrie sowie der Infrastruktur in Deutschland und ist somit integraler Bestandteil eines aktiven internationalen Netzwerks.
Herr Veith, ist die Relevanz von ESG in der Immobilienbranche angekommen?
THOMAS VEITH:
Absolut. Die Weltklimakonferenz COP26 ist gelaufen. Morgen ist der Real Assets Tag. Built Environment, der 11. November, wo man speziell auf der Weltklimakonferenz auf das Thema schaut. Das Thema kann aktueller nicht sein.
Was bedeutet ESG für die Immobilienwirtschaft?
THOMAS VEITH:
Es kommt her von einem gesellschaftlichen Wandel, von einer Umwelt Veränderung, die schon 20-25 Jahre etwa auf der Agenda ist. Großer wichtiger Startpunkt waren die 17 Sustainable Development Goals (SDGs), die schon in den 90er Jahren – und danach dann kontinuierlich weiter – entwickelt wurden. Insbesondere die Immobilienwirtschaft ist für den Ausstoß von 30 bis 40 Prozent des CO2 weltweit verantwortlich. On Top kommt natürlich noch die Verwendung der Materialien. Die Herstellung von Zement steht ja auch immer in der Diskussion rund um den CO2-Ausstoß. Wir verbringen 90 Prozent unserer Lebenszeit in Gebäuden. Insofern hat gerade auch das Thema Governance eine große Relevanz. Die Immobilie ist natürlich nicht nur Verursacher. Wir sind auch Betroffene von Überflutungen, Klimaextremen: extremer Hitze und Kälteextremen. Das trifft uns natürlich auch als Immobilieneigentümer und als Nutzer.
Wie lassen sich Immobilien und Gebäude unter den Aspekten Risiko, Transparenz und Leistung bewerten?
THOMAS VEITH:
Es ist jetzt nicht so, dass wir grosso modo in Deutschland und international schon alle genau wissen, welche Bestände wir haben oder wie sie zu bewerten sind. Wir haben ja in jedem Land andere Regularien. Insofern sind wir jetzt an dem Punkt, wo die meisten Bestandshalter dran sind zu versuchen ihre Transparenz zu erhöhen und ihre Prozesse aufzusetzen. Was ist eigentlich im Bestand? Wo will ich zukünftig investieren und wo eben auch nicht?
Es wird sicherlich viele Entscheidungen geben; auch Bestände zu kaufen oder zu reinvestieren, um dann langfristig auch die Licence to Operate zu behalten; also dass das eben in den Geschäftsprozess systematisch integriert wird. Und da gibt es verschiedene Layer. Es gibt natürlich die Objektebene, dann haben wir viele Kunden, die uns aus dem Fondsbereich mandatieren. Da geht es stark um das Thema: Ist mein Fonds entsprechend der EU-Taxonomie als Artikel 8 oder Artikel 9 zu qualifizieren? Und dann habe ich natürlich noch die Corporate Level. Die Objekte müssen verändert werden, um diese Licence to Operate zu behalten. Aber Schritt eins ist erstmal Transparenz zu haben. Wo stehe ich eigentlich heute? Und da sind wir gerade.
Wie setze ich das Thema strategisch um?
THOMAS VEITH:
Der erste Schritt ist zu definieren: Wo stehe ich heute? Wo stehen Wettbewerber? Und sein eigenes Ambitionsniveau festzulegen. Dahinter steckt die Frage: Wie gehe ich es operativ an? Es betrifft im Grunde alle Bereiche der Wertschöpfung: also von der Produktion, von der Renovierung, vom Asset Management; es geht runter ins Property Management, Facility Management. Also es muss quasi einmal vom Objekt her kommend aggregiert werden. Die Strategie muss definiert, implementiert und dann laufend an eine Organisation angepasst werden, um es als integralen Bestandteil dann auch zu leben. Das ist ganz wichtig. Ansonsten wird es einfach schwierig sein. Das gilt für alle Change Projekte. Da ist das Thema People, ESG und Digitalisierung. Und ESG ist ein großes komplexes Thema, was dann auch noch Schnittstellen zur Digitalisierung hin hat. Insofern wichtig: C-Level, komplette Organisation. Man muss nicht alles auf einmal machen, aber man muss sich klar darüber sein, dass man durch alle Bereiche einmal durch muss, um den roten Faden zu haben.