Co-Living

Co-Living is not a trend - it's a revolution. Für diese Nachfrage sollten sich Vermieter bis 2030 rüsten.

In kaum einem anderen Immobiliensegment ist die Kluft zwischen Nachfrage und Angebot noch so groß: „Temporäres Wohnen“ ist für die deutsche Immobilienbranche ein drängendes Thema. Immer mehr Projektarbeiter, Singles, Studenten und Pendler konkurrieren um kompakten Wohnraum in den Städten. Dabei geht der Trend von „Squaremeters zu Sharemeters“ - voll ausgestatteten Mikro-Apartments mit Gemeinschaftsflächen.

Das Modell scheint auf den ersten Blick alles andere als neu: In der Regel kleinere Zimmer werden innerhalb einer Wohnung an einzelne Personen vermietet. Küche und Bad werden von den Bewohnern gemeinschaftlich genutzt. Schon seit den 60ern ist die Wohngemeinschaft besonders bei Studenten eine beliebte Wohnform. Was soll daran revolutionär und innovativ sein? Ist das Schlagwort „Co-Living“ etwa nur eine Marketinghülse?

Spontanität verändert das Wohnen

Mitnichten - darin sind sich Immobilienexperten und Fachmedien einig. Ebenso wie der Büromarkt derzeit mit Co-Working-Konzepten aufgemischt wird, so ist der       Co-Living-Trend - entstanden in Kalifornien mit Start-up-Communities wie Rainbow Mansion, The Glint oder The Embassy - weitergewandert in europäische Metropolen und kommt nun auch in deutschen Großstädten an. Neu daran sind die treibenden Kräfte dahinter: steigende Mobilität, Digitalisierung, die Auflösung klassischer Arbeits- und Familienstrukturen. Häufige Job- und Wohnungswechsel, Projektarbeit in immer neuen Städten, Phasen der Trennung und Neuorientierung sind heute für Menschen von 18 bis 58 nichts Ungewöhnliches mehr.

Der Zukunftsforscher Sven Gabor Janszky stellt die Prognose auf, dass es bis 2025 in Deutschland 40 Prozent Menschen geben wird, die alle zwei bis drei Jahre ihren Job wechseln – und mit hoher Wahrscheinlichkeit auch Unternehmen und Städte.„Bei diesen 40 Prozent wird das Bedürfnis entstehen, vieles nur zeitweise zu benutzen, sich nicht zu binden. Für sie heißt Freiheit, Dinge nutzen zu können, aber sie nicht bei einem Umzug transportieren zu müssen“, so Janszky in einem Interview mit der WELT.

Der Trend zur Shareconomy – das Teilen von Ressourcen wie etwa beim Car-Sharing – wird sich in den nächsten Jahren immer mehr auch auf das Segment Wohnen erstrecken.

Der Co-Living-Mieter - das unbekannte Wesen?

Janszkys Beobachtungen decken sich sich mit anderen Marktstudien, u.a. den Thesen des Zukunftsinstituts in seiner vielbeachteten Erhebung über „Die Zukunft des Wohnens“: Bei dem dort beschriebenen Trend des „Collaborative Living“ geht es statt um Besitz um Gemeinschaft, Verfügbarkeit, Zugang und Teilen. Und es geht um eine neue Mieterzielgruppe, die nur Raum für sich selbst benötigt. Deren Statussymbole nicht mehr Haus bzw. große Wohnung, Auto, Kinder sind, sondern Reisen, internationale Freundschaften, spannende Jobs und Projekte. Ein Lebensstil, der in der Regel viel Abwechslung in einem neuen Umfeld bringt, aber auch die Gefahr der Vereinsamung birgt.

„Bei der Generation Y steht das Auto nicht mehr für Freiheit oder Status, sondern für die Dienstleistung ‚Transport‘. Wenn Car-Sharing diese Dienstleistung abbildet ohne den lästigen Rest wie Versicherungen, Pflege etc.: Umso besser. Bei Immobilien erleben wir einen ähnlichen Trend.“ Frederik Fischer, Journalist und Gründer eines „Ko-Dorfes“ bei Berlin

Ankommen. Auspacken. Wohlfühlen.

Entsprechend wird in der deutschen Immobilienwirtschaft das aktuelle Wohnangebot immer professioneller zugeschnitten auf die steigende Nachfrage nach temporärem Wohnen mit sozialem Anschluss. Das Basisangebot ist bei allen Co-Living-Angeboten dasselbe: Möblierte Mikro-Apartments bis maximal 20 qm werden tage-, wochen-, monateweise oder auch unlimited vermietet. Für den typischen Co-Living-Mieter ist eine durchdachte Einrichtung ebenso ein Muss wie schnelles WLAN. Diese sind im Paket mit Heizung, Strom, wöchentlicher Reinigung und der Nutzung der Gemeinschaftsflächen im Mietpreis enthalten. Die Ära der zusammengewürfelten Ausstattung von fragwürdiger Qualität ist also vorbei - „smart und funktional“ ist die Regel.

Bei den Community-Räumen lassen sich Abstufungen von „Basic“ bis „Luxus“ beobachten. Im Studenten- oder Azubihaus gibt es oft nur eine Gemeinschaftsküche, vielleicht noch einen zusätzlichen Raum zum Chillen und Lernen oder einen Waschsalon. Beim Business-Co-Living werden den Bewohnern oft noch Annehmlichkeiten wie etwa ein Co-Working-Space, Concierge-Services, Heimkino, Lounge oder Kochsalon geboten. Und die Luxus-Varianten warten zusätzlich z.B. mit Dachterrasse, Hausbar oder Kreativwerkstatt („Maker Space“) auf. „Sharemeters statt Squaremeters“ ist die Devise. Das eigene Zimmer kann klein sein, wenn der Rest stimmt.

„Wir wollen nicht mehr Raum als nötig, weil mehr Raum auch mehr Kosten und Aufwand bedeutet“, erklärt der Journalist Frederik Fischer, Gründer eines „Ko-Dorfs“ vor den Toren Berlins - den Erfolg des Co-Living-Konzepts auch in Deutschland. „Die Lust darauf, Freunde zum Essen einzuladen, gemeinsam im großen Wohnzimmer Filme zu gucken oder auch ein Arbeitszimmer zu haben, verschwindet nicht. Erfüllt werden können diese Wünsche aber auch außerhalb der eigenen vier Wände: Durch Community Küchen, flexibel buchbare Veranstaltungsräume mit Beamer und Leinwand oder eben Co-Working-Spaces.“

Quelle: Priscilla du Preez/Unsplash

„Ich glaube, dass Co-Living insbesondere für Entrepreneure und junge, unabhän-gige Menschen passt. Viele schätzen dasRundum-sorglos-Paket, bei dem sie sich um Dinge wie Einrichtung, WiFi, Strom etc. nicht kümmern müssen. Auch die Möglichkeit, interessante Menschenkennenzulernen, wird von vielen sehrgeschätzt.“
Christoph Krofitsch, Co-Gründer Byrd

Neues Berufsbild „Community Manager“


Für die Auswahl der Mitbewohner und das „Rundum-wohlfühl-Ambiente“ im CoLiving-Kosmos beschäftigen Vermieter wie Agoora oder die Medici Living Group eigens „Community Manager“. Nicht selten wohnen diese mit im Haus. „Es werden regelmäßig Events organisiert, um die Community zusammenzubringen, bei denen es nicht selten free food/drinks gibt“, so Christof Krofitsch, Mitbewohner im von Medici organisierten Co-Living-Konzept QUARTERS. „Und falls es mal Probleme gibt, kann man jederzeit die Leute von QUARTERS kontaktieren, die sich darum kümmern. All das kombiniert ist mir persönlich wichtiger als ein großes Zimmeroder eine Wohnung für mich alleine.“

Der Mitgründer des Start-ups Byrd schätztden Austausch mit den Mitbewohnern, die aus ganz Europa und den USA kommen. Fast alle sind berufstätig, der Großteil arbeitet in Start-ups. In einer immer dynamischeren Welt bietet Co-Living eine Art „Zuhause auf Zeit“. Die Win-win-Situation liegt auf derHand: Der Vermieter kann die Miete höher ansetzen, als Mietspiegel und Mietpreisbremse es zulassen würden. Auch Immobilien in B-Lagen - ein prominentes Beispiel ist eben das QUARTERS in Berlin-Moabit - sind begehrt und werden durch innovative Wohnkonzepte aufgewertet. Anleger, die ihr Geld in Co-Living-Projekte investieren möchten, könnten laut Ansicht von Experten Nettorenditen zwischen 4,5 Prozent und 5 Prozent erhalten. Und der Mieter profitiert von einem All-inclusive-Paket, das Flexibilität, Komfort, aber auch einen sozialen Mikrokosmos inkludiert. Der Quadratmeterpreis für den voll ausgestatteten urbanen Mini-Wohnraum ist hoch, aber noch um einiges günstiger als die Anmietung eines Ein-Zimmer-Apartments oder ein Hotelaufenthalt.

Co-Living und Mikro-Wohnen im Aufstieg

Noch fristet der Co-Living-Sektor ein Nischendasein in der deutschen Wohnungswirtschaft, aber die Zahl der Anbieter nimmt stetig zu. Denn je mobiler Arbeitnehmer werden, desto rasanter steigt die Nachfrage. Der Wohn-Sharing-Trend geht Hand in Hand mit dem Anstieg der Angebote für temporäres Wohnen in Mikro-Apartments. Auf den akuten Wohnraummangel für Singles könnte das langfristig entspannend wirken:

Vorhandene Flächenressourcen können effizienter genutzt werden. Mietwohnungen, die zu groß und zu teuer für eine Person sind, werden für Familien frei oder werden von Mehreren bewohnt. Leben in der Großstadt könnte so für Einzelpersonen bezahlbarer werden. Und auch wenn bei vielen profesionell geführten Co-Living-Häusern die Gemeinschaft lediglich Markenstrategie ist: Community Living bringt eben doch auch Menschen zusammen und ist eine zeitgemäße Antwort auf neue Lebensmodelle und Wohnbedürfnisse.