Thomas Funke ist Co-Director des Start-up Hubs TechQuartier in Frankfurt. Schon als Kind hat er die Höhen und Tiefen des Unternehmertums bei seinen Eltern beobachten können und beschäftigte sich immer eingehender mit dem Thema. So gründete er 2008 das Entrepreneurship Center Network, einen Zusammenschluss von sechs Universitäten, der Studenten bei der Gründung und der Umsetzung ihrer Ideen unterstützt. Funke setzt sich rund um die Uhr mit dem Konstrukt Arbeit auseinander – als Co-Director eines Coworking Spaces natürlich auch mit der passenden Arbeitsumgebung. Er gibt uns einen Einblick ins Büro und die Bürokultur der Zukunft.
Herr Funke, wie hat sich das Konzept Arbeit im Laufe der Zeit verändert?
THOMAS FUNKE: Früher, so vor 200 Jahren, hat man mit der Dampfmaschine die Muskelkraft das erste Mal durch maschinelle Kraft ersetzen können. Vorher hat der Mensch noch viele manuelle Tätigkeiten mit seiner physischen Kraft erledigt. Das ist heute anders: Man sieht nicht mehr so viele Menschen, die Kohle in einen Zug schippen. Heute können Maschinen diese sehr einfachen, repetitiven Aufgaben besser als Menschen umsetzen. Aber was sie meiner Meinung nach in den nächsten zehn, 100 oder vielleicht auch 1000 Jahren nicht können, ist in unerwarteten Situationen gut und intuitiv zu handeln. Das ist das, was den Menschen ausmacht: durch persönliche Präferenzen, Emotion und Erfahrung zu agieren.
Was bedeutet das für den zukünftigen Arbeitsalltag?
THOMAS FUNKE: Obwohl diese Tendenz von vielen als Bedrohung wahrgenommen wird, sehe ich sie als große Chance: Man kann sich zum ersten Mal in der Geschichte ganz auf seine Kernfähigkeiten konzentrieren, nämlich emotionale Intelligenz, Empathie, Kreativität, Ideenfindung und Problemlösung. Der Mensch kann das machen, was ihm wirklich Spaß macht, gerade weil ihm diese sehr simplen Tätigkeiten abgenommen werden. Er hat durch Technologie die Fähigkeit erlangt, sich mehr mit dem sprichwörtlichen Paradies zu beschäftigen — also mehr mit dem zu beschäftigen, was eigentlich für ihn spannend wäre.
Welche Rolle spielt das Büro für diese neue Art von Arbeit?
THOMAS FUNKE: Ich bin der festen Überzeugung, dass es das richtige Umfeld, die richtigen Tools und den richtigen Zugang braucht, um produktiv zu sein.
Wie sieht dieses Umfeld aus?
THOMAS FUNKE: Kreativität funktioniert nicht ohne Kommunikation und Zusammenarbeit. Deshalb ist das Büro als Ort des sozialen Austauschs noch immer extrem wichtig. Offene Räumlichkeiten fördern natürlich die Kommunikation, können aber auch schnell ablenken und die Produktivität sogar hemmen. Deshalb braucht das Büro der Gegenwart und Zukunft auch gewisse Zonen für gewisse Aufgaben: eine Ruhezone, eine Fokuszone, eine Kommunikationszone und so weiter.
Kreativität funktioniert nicht ohne Kommunikation und Zusammenarbeit. Deshalb ist das Büro als Ort des sozialen Austauschs noch immer extrem wichtig.
Also weg vom Großraumbüro.
THOMAS FUNKE: Genau. Allerdings gibt es für die Bürogestaltung einen weiteren Faktor, den man in Zukunft mitdenken muss: Das Privatleben verschmilzt immer mehr mit dem Berufsleben, der Arbeitsplatz verlagert sich in Richtung Wohnumfeld und umgekehrt. Nicht umsonst sind Coliving-Konzepte so erfolgreich. Durch Technologie, durch das Internet hat man 24 Stunden am Tag die Möglichkeit, zu reagieren und nicht nur zu agieren. Was heißt eigentlich privat? Was heißt beruflich? Heutzutage kann man Erfüllung auch im Job finden, weshalb sich der Lebensmittelpunkt ein Stück weit Richtung Arbeit verlagert.
Die Cloud tut hier ihr Übriges.
THOMAS FUNKE: So ist es. Man braucht keinen festen Arbeitsplatz mehr, sondern kann von überall arbeiten — und tut das auch. Auf der anderen Seite wünschen sich viele trotzdem noch einen Ort der Zusammenkunft. Die physische Kommunikation kann theoretisch abnehmen, aber man braucht trotzdem dieses Gemeinschaftsgefühl, das ist tief in uns verankert. Und deswegen gibt es Coworking Spaces wie das TechQuartier, die eine Community bilden — seien das fünf Leute, zehn oder 50.
Sind Coworking Spaces dann ein Produkt der Digitalisierung?
THOMAS FUNKE: Das würde ich so unterschreiben. Zwar gab es vorher schon Großraumbüros, aber 1989 hat dieser Digitaltrend mit dem World Wide Web angefangen und sich 1995 mit der Entwicklung von Microsoft Office noch verstärkt. Dann ist die Dotcom-Blase geplatzt und trotzdem ging es weiter. Ich denke, viele der Bürotrends, die es heute gibt, kommen aus dem Silicon Valley. Zum Beispiel auch, dass das Arbeitsumfeld immer lockerer wird, dass man nicht mehr überall in Anzug und Kostüm ins Büro kommen muss. Stattdessen zieht man das an, was man auch zu Hause trägt — da zeigt sich wieder, dass Arbeit und Privates immer mehr verschwimmen.
Wie würden Sie diese ganzen Veränderungen in der Arbeitswelt bewerten?
THOMAS FUNKE: Ich denke, es gibt immer noch viele große Probleme in unserer heutigen Gesellschaft, auch globale Probleme. Aber ganz allgemein ist die Menschheit reicher geworden. Nicht nur reicher in Form von Wohlstand, sondern durch Gesundheit, den Zugang zu Information und den Zugang zu Bildung. Und obwohl die Grenze zwischen Beruf und Privatem immer mehr verschwimmt, überwiegt für mich ganz klar die Freiheit dieser neuen Arbeitswelt.